Von Manfred Horst.

In den letzten 150 Jahren hat die Menschheit in ihrem Kampf gegen Krankheit und Tod, gegen Kinder- und Müttersterblichkeit viel erreicht und das mittlere Sterbealter in den reichen Ländern der Erde von um die 35 auf etwa 80 Jahre angehoben

80 Jahre ist ein Mittelwert. Es sterben durchaus noch einige Menschen in jüngeren Jahren – aber glücklicherweise eben viel weniger als in früheren Zeiten. 2019 starben in Deutschland insgesamt 939.520 Menschen, mit folgender Verteilung in Altersklassen:

Sterbetafel Deutschland 2019:

0–9 Jahre             3.242    (0,35%)
10–19 Jahre         1.188    (0,13%)
20–29 Jahre         3.095    (0,33%)
30–39 Jahre         6.534    (0,70%)
40–49 Jahre       15.575    (1,66%)
50–59 Jahre       56.967    (6,06%)
60–69 Jahre      114.470  (12,18%)
70–79 Jahre      202.955  (21,60%)
80–89 Jahre      350.365  (37,29%)
Über 90 Jahre  185.129  (19,70%)

Gesamt            939.520  (100,00%)

Auch wenn die Gesamtzahl von Sterbefällen aufgrund der Alterung in unserer Bevölkerung in den letzten Jahren stetig zunimmt – das mittlere Sterbealter und die prozentuale Verteilung auf Altersklassen sind dabei relativ konstant geblieben (hier und hier); sie ähneln sich auch grundsätzlich in allen Ländern der westlichen Welt.

Seit nunmehr fast eineinhalb Jahren werden wir mit den täglich aufaddierten Zahlen von „Corona-Toten“ in Angst und Schrecken gehalten. Die Alterverteilung dieser in Deutschland bis zum 29.06.2021 „mit dem Coronavirus“ Verstorbenen sieht so aus:

Sterbetafel  „mit Coronavirus“, Deutschland 2020/21:

0–9 Jahre                        15        (0,02%)                                                               
10–19 Jahre                    11        (0,01%)
20–29 Jahre                     82       (0,09%)
30–39 Jahre                    234      (0,26%)
40–49 Jahre                     703     (0,78%)
50–59 Jahre                   3.050    (3,36%)
60–69 Jahre                   8.234    (9,08%)
70–79 Jahre                 18.782   (20,72%)
80–89 Jahre                 40.394   (44,55%)
Über 90 Jahre             19.159    (21,13%)

Gesamt                        90.664  (100,00%)

Der geneigte Leser vergleiche die prozentuale Altersverteilung dieser „Corona-Toten“ mit derjenigen in der Allgemeinbevölkerung und stelle sich bitte folgende Fragen:

  • Worin unterscheiden sich die „Corona-Toten“ von der natürlichen Sterbetafel?
  • Für welche Teilgruppen wäre es gegebenenfalls sinnvoll, lebensverlängernde Maßnahmen zu erforschen? 
  • Welche Altersgruppen sollte man bei einer solchen Diskussion über gegebenenfalls lebensverlängernde Maßnahmen ins Auge fassen? 

Es kann doch eigentlich auch ohne tiefere statistische Analyse kein Zweifel daran bestehen, dass die Todesfälle „mit Coronavirus“ (das heißt mit einem positiven PCR-Test) Teil des normalen und nicht verhinderbaren Sterbegeschehens in Deutschland sind. Und das ist auch überall sonst auf der ganzen Welt so – völlig unabhängig von den jeweils ergriffenen Maßnahmen.

„Mit Corona“ sogar noch etwas älter als der Rest der Bevölkerung 

Da das Virus Kindern und Jugendlichen nichts tut – oder auch, weil man bei ihnen bisher weniger getestet hat –, wird man „mit Corona“ im Schnitt sogar noch etwas älter als der Rest der Bevölkerung. 

Das Coronavirus (beziehungsweise der positive PCR-Test) ist mit Bezug auf das Ergebnis „Tod“ eine statistische Zufallsvariable – wie Fußpilz oder das Tragen roter Socken. Sämtliche Berechnungen von den Coronatoten angeblich verlorengegangener Lebenszeit sind statistischer Unsinn. Man kann und darf die Restlebenserwartung von Lebenden nicht einfach auf eine Gruppe (Kohorte) von Verstorbenen übertragen, denn sonst könnte man jede beliebige Zufallsvariable zur tödlichen Gefahr deklarieren. 

(In seiner Diskussion solcher Berechnungen von Corona-YYL (years of life lost) erklärt John Ioannidis auf elegante Weise und ohne eklatante Kollegenschelte genau diesen Sachverhalt. Im übrigen ist auch die von manchen anderen Autoren vorgebrachte Ausflucht, das Sterberisiko durch und mit Corona sei zwar altersmäßig gleich mit, aber (großenteils) zusätzlich zu dem normalen Sterberisiko, ist nicht ernsthaft haltbar. Denn das hieße ja, dass die Kohorte der Coronatoten ohne das Virus signifikant länger gelebt hätte als die Allgemeinbevölkerung. Warum sollte das der Fall sein, was hätte denn gerade diese Kohorte zu einem im Durchschnitt längeren Leben prädestiniert?)

Natürlich gibt es eine durch / mit SARS-CoV-2 hervorgerufene schwere Verlaufsform von Atemwegsinfekten. Natürlich ist die Medizin verpflichtet, jedem einzelnen der davon betroffenen Menschen nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen. Im statistischen Mittel jedoch wären die „Coronatoten“ auch ohne Corona zum selben Zeitpunkt verstorben – an (oder mit) einem anderen Virus oder einer anderen Krankheit. Wir sind nun einmal nicht unsterblich. 

An dieser banalen Normalität, an unserer Sterblichkeit in einem mittleren Alter von 80 Jahren, an unserer ständigen (vor allem winterlichen) und immunisierenden Auseinandersetzung mit frisch mutierten Atemwegsviren, kann keine politische oder gesellschaftliche Intervention irgendetwas ändern. Und das wussten wir, das wussten mit Sicherheit auch viele Experten und Politiker spätestens am 12. März 2020, als die Italiener die Daten der Coronatoten von Bergamo (Durchschnittsalter 80,3 Jahre, alle mit schweren Vorerkrankungen) öffentlich bekanntgaben. 

Nützliche Lehren aus dieser dystopischen Episode?

Daran kann im Übrigen auch keine Impfung etwas ändern – und viele meiner ehemaligen Kollegen in der pharmazeutischen Industrie wissen das auch. Als Voraussetzung für eine Zulassung – und erst recht für eine derart überhastete und daher riskante – hätten die Zulassungsbehörden unbedingt eine Mortalitätsstudie (d.h. den Nachweis einer geringeren Zahl von Todesfällen in der Impfgruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe) fordern müssen. Nur – eine solche Studie würde gar kein positives Ergebnis erbringen können, denn die normale Sterblichkeit des Menschen ist nun einmal nicht verhinderbar. 

Stattdessen wurde der Nachweis einer Reduktion von Erkältungssymptomen mit einem positiven Test zum klinischen Endpunkt deklariert und mit großer Fanfare publiziert, und stattdessen wird die – ja schon im letzten Sommer zu beobachtende – saisonale Abnahme von testpositiven Fällen und Toten als Erfolg der Impfung gefeiert. Und deutsche Fachgesellschaften behaupten einfach wider besseres Wissen, die Impfung habe in den Zulassungsstudien nachgewiesen, dass sie schwere Verläufe und Todesfälle zu fast 100 Prozent verhindere

Erkältungen und grippale Infekte werden die Menschen aber weiterhin bekommen, schwere Verlaufsformen bei Älteren und Geschwächten wird es auch weiterhin geben, und eine gewisse (je nach Jahrgegebenefalls etwas schwankende) Anzahl von im Mittel 80-Jährigen wird uns wie immer verlassen – mit dem Coronavirus oder eben mit anderen mutierten Atemwegsviren und deren ständig mutierenden Varianten. 

Wenn die menschlichen Konsequenzen der politischen und gesellschaftlichen Reaktion auf dieses eine Atemwegsvirus nicht so entsetzlich wären, könnten wir das Ganze fast als groteske Farce genießen. Vielleicht wird eine (hoffentlich noch) freie Menschheit in nicht allzuferner Zukunft nützliche Lehren aus dieser dystopischen Episode ziehen und ein gesundes Misstrauen gegenüber modellisierenden und orakelnden Panikwissenschaftlern und deren politischer Gefolgschaft entwickeln.

Dr. med. Manfred Horst verbrachte den größten Teil seiner beruflichen Karriere in der pharmazeutischen Industrie. Im Jahr 2016 schied er aus leitender Position in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Merck & Co. / MSD aus und ist seitdem als unabhängiger Berater tätig.